Donnerstag, 19. März 2009
kein aber

 

Er drückt den Stift so fest auf das Papier, dass es sich rollt. Kein Akt der Gewalt, eher der Verbissenheit – das störrische Tier will jedesmal neu gezähmt werden (nicht das innere) –, als hätt er Angst, die Buchstaben, Worte könnten ihm entgleiten; presst sie aufs Papier, bis sie sich nicht mehr, wie es ihre Art ist, frei bewegen können. Die so entstandenen Schriftrollen übergibt er mir zum Abtippen, zur Korrektur. Er weiß um seine Schwächen, meine Stärken, kommentarlos; sie nützen ihm, das genügt. Wir reden nicht über das, was er schreibt; was ich schreibe, interessiert ihn nicht. Es bleiben zwischen uns nur die stumm gewechselten Papiere; heimlich liest er manchmal ein paar Zeilen von mir, die er sich borgt von meiner Mutter; und manchmal sagt er zu anderen, auf mich angesprochen, nicht ohne Stolz: Das hat er von mir. Allein in unserem Schweigen liegt wohl die Anerkennung, die wir einander zollen.

 

der text entstand im märz 2000, und ihm ist noch immer nichts hinzuzufügen.

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Freitag, 13. Februar 2009
brotlose kunst?

 

not macht erfinderisch ;-)


[direktfrühstücken | via | mehr von Evelien Lohbeck]

 

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Mittwoch, 24. Dezember 2008
weihnachtsgrüsse aus der provinz heimat
Weihnachtsgrüße aus E. (Postkarte von ca. 1953

postkartenmotiv von ca. 1953. – die kirche hat längst keinen zwiebelturm mehr, auch die bauernhöfe sind größtenteils verschwunden und die winter bringen nur noch selten so viel schnee, dass man an den hängen über dem dorf schlitten fahren könnte. aber schön friedlich ist es hier. meistens.

 

* * *

ebernhahn I: lage/bestimmung

vom hang an talwärts fliessend breitet der ort sich unsymme
trisch das zentrum am nördlichen ende ringsum in felder
der barsche himmel spannt sich und brandet über
die hohen hügel in unbebaute äcker münden
gefräßige tongruben stürzen und steigen
auf halden hinaus und ertrinkt in
zäher luft bis wieder hinauf an
den waldrand lässt ferne lässt
tiefe — und wegkreuze die
auf geschichte verweisen

 

ebernhahn II: geschichte

vom stolz des ortes erzählen
die trümmerlosen stätten:

hier die kapelle
hier war der backes
hier war die kirche
hier unsre felder


keine gedenktafeln keine
chronik in feuchten
kellern schimmeln die
akten des dorfes mit
genehmigung der gemeinde

geschichte schweigt
am trümmer
losen ort

 

ebernhahn III: leben

im sommer ernten
druuschele plicke*
von dornigen sträuchern
im herbst den wind verfolgen
der die felder wiesen bäume
durchkämmt umpflügt bestellt
im winter hasen katzen vogel
spuren lesen im kristallnen schnee
im frühling bestellung der gärten
(tomaten, kopfsalat, erdbeeren)
brennesselsaat auf den brachen
dem aufbruch der erde lauschen
nichts erwarten ausser
den nächsten regen
laub und blütenfall
hitze und frostschlag und
an jedem morgen den
nebel über den wiesen und
das rot in den bäumen
am abend

 

das gedicht entstand zwischen dem 31. mai und dem 3. juni 1999 und wurde am 3. und 4. juli 2001 grundlegend überarbeitet. es wurde zuerst im rahmen des internet-projekts textropolis veröffentlicht. der erste teil, »lage/bestimmung«, erschien außerdem in der anthologie Lyrik von Jetzt (hrsg. von Jan Wagner und Björn Kuhligk, köln: DuMont, 2003).

die verschiedenen biografischen und werkimmanenten bezüge sollen in einem späteren eintrag erläutert werden. ich bitte noch um ein wenig geduld.

 

* hochdt.: stachelbeeren pflücken (zugleich der titel des einzigen gedichtes, das ich jemals auf ›ebernhähner platt‹ geschrieben habe)

 

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Sonntag, 26. Oktober 2008
toskanamente II

 

wohnungssuche per litfassäule (26.09.08)
»architekt sucht liebevolle wohnung in liebevollem haus mit liebevollen
bewohnern ...« – selten eine so liebevolle & ungewöhnliche suchanzeige
gesehen wie hier an der grenze zwischen meiner toskana und
kreuzberg (haltestelle heckmannufer)

über meinem schreibtisch (26.10.08)
zwischen kreuz und kalender passt immer noch ein wenig zuversicht.
der zettel sagt:

trotzdem, dass es unmöglich scheint,
trotzdem, dass alle meinen, dass es nicht gelingt,
trotzdem kannst du es schaffen!


(danke, Lilith!)

mein schreibtisch (26.10.08)
details dazu auf flickr! – zum vergleich: mein schreibtisch vor vier monaten
und vor zwei jahren.

 

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Samstag, 25. Oktober 2008
wieder ein grund zur freude

 

Die Welt wird anders sein, wenn man sie mit den Augen von Franz Kafka gesehen hat.

 

soeben erschienen:

Franz Kafka: Erzählungen. Text, Kommentar und Materialien, hrsg. von Marcel Diel und Florian Radvan, Oldenbourg Schulbuchverlag, 2008

Franz Kafka: Erzählungen. Text, Kommentar und Materialien, hrsg. von Marcel Diel und Florian Radvan, Oldenbourg Schulbuchverlag, 2008

Franz Kafka: Erzählungen. Text, Kommentar und Materialien, hrsg. von Marcel Diel und Florian Radvan, Oldenbourg Schulbuchverlag, 2008

ja, der oldenbourg verlag, den meisten von uns sicherlich noch aus schulzeiten bekannt durch seine traditionsreihe »oldenbourg interpretationen«, macht jetzt auch in textausgaben, die schülergerecht mit wort- und sacherklärungen, autorenbiographie und materialien zum textverständnis versehen sind.

für diese neue reihe hat das bewährte duo Radvan–Diel eine repräsentative auswahl der erzählungen Franz Kafkas getroffen, an der sich hoffentlich generationen von oberstufenschülern erfreuen werden. das 312 seiten umfassende taschenbuch ist für taschengeldschonende 5,20 euro ab sofort im handel erhältlich.

näheres dazu auf der verlagsseite; das inhaltsverzeichnis und eine kleine leseprobe gibt es hier als pdf.

 

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