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Sonntag, 27. Januar 2008
kleine idyllen (3)
marcel diel, 17:07h
9 uhr: ich pflücke die zeilen
meines gedichts aus der luft
wie spatzen die lerchen vorgeben
trau ihrem singsang nicht
allzu schnell wird mein griff
zur faust zerbricht sie zu federn
knochen blut breiwerk das
seine form nicht kennt
besser den blick
nach innen zu wenden?
besser: ich bau dir
mein wort in den wind
Vom 30. April bis 2. Mai 2004 nahm ich an einer Schreibwerkstatt des Literaturvereins Südthüringen teil, die in einem ehemaligen FDJ-Heim in Untermaßfeld bei Meiningen stattfand. Ich war nicht zum ersten Mal dort. Schon 1994, als ich selbst noch Mitglied der (inzwischen längst aufgelösten) Autorengruppe Koblenz war, hatte sich der Kontakt zu den Thüringern ergeben, und eine Zeit lang fuhr eine kleine Delegation von uns jedes Jahr nach »U'feld«, um dort gemeinsam über Texte zu diskutieren, neue zu schreiben und regelmäßig bis spät in die Nacht zu klönen. Das verschlafene Dörfchen, eingebettet in eine der schönsten Landschaften Deutschlands, erwies sich dabei als höchst inspirative Umgebung und hatte damals noch eine weitere Attraktion zu bieten, einen Einwohner nämlich, der als einer der profiliertesten Naturlyriker der ehemaligen DDR galt: Walter Werner. Bei mir als damals noch recht dilettantischem Schreiberling hinterließ er großen Eindruck, und so finden sich Spuren seines Werkes in nicht wenigen meiner Texte. Leider blieb diese Begegnung einmalig, denn nur ein Jahr später, im August 1995, starb Walter Werner, und bis auf die wenigen, die ihn persönlich gekannt und teilweise schon in den 70er Jahren zu dem von ihm geleiteten ›Zirkel schreibender Arbeiter‹ gehört haben, erinnert heute kaum noch jemand an ihn (das kulturelle Gedächtnis ist grausam, vor allem unterbesetzt). Holger Uske, Schriftsteller und Vorsitzender des Literaturvereins, hat ihm unter anderem in zwei Artikeln, die in der von mir herausgegebenen Zeitschrift »Kritische Ausgabe« erschienen, ein Andenken bewahrt.
Bei jenem Treffen im Jahr 2004 allerdings wollte es mit der Inspiration nicht so recht klappen. Anne Gollin, die als Referentin aus Berlin angereist war, hatte uns ein Thema gestellt (wie es hieß, weiß ich nicht mehr, glaube aber, es war irgendetwas mit »Kindheit«), mit dem jeder für sich den Rest des Nachmittags zubringen sollte. Da mir partout nichts einfallen wollte, schlenderte ich ein wenig durch die Gegend, ließ mich von der Natur berieseln und dachte so vor mich hin, ich dachte: Wenn du nicht einmal nach Vorgabe schreiben kannst, wie soll aus dir dann ein Schriftsteller werden? Verinnerlichte das. Kehrte nach Hause zurück, und zwei Tage später, am 4. Mai 2004, schrieb ich dieses Gedicht – das erste von vier »Idyllen«.
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