Montag, 28. Januar 2008
kleine idyllen (4)

 

12 uhr: der rasen bellt
vorüberschreit ein schwärmchen schüler
noch ganz warm vom regen
der ins graue fällt

mein träger blick fängt keinen
baum mehr ein und keine
farbe lädt ihn dazu ein als gast
dort draußen zu verweilen

ach! würd die alte frau im erdgeschoss
mich nicht zur gartenarbeit runterbrüllen

ich blieb wohl weiter hier und übte
meine schrift in tranigen idyllen

 

Am 9. Mai 2004 las ich zusammen mit dem Künstlerpoeten Olaf n. Schwanke in der Städtischen Galerie Haus Seel in Siegen. Unsere Matinee trug den Titel »Kleinstadtpoeten im Park« und war eine Mischung aus eigenen und fremden Texten, unter anderem von Kästner, Rilke, Benn, Wondratschek und Born. Zum Abschluss sangen wir gemeinsam den Kreisler-Hit »Tauben vergiften im Park«. Einen Tag später entstand, als zweites von vieren, das obige »Idyll«.

Marcel Diel und Olaf n. Schwanke im August 2002 (Foto: Crauss)

Wer Schwankes Texte kennt (der Dichter steht leider auf Kriegsfuß mit den neuen Medien, daher finden sich kaum welche im Netz; auf der Website des Mainzer Kulturtelefons kann man ihn sich aber immerhin anhören), wird in diesem Gedicht vielleicht einen Hauch davon wiederentdecken. Mich selbst hat beim Schreiben vor allem das »schwärmchen schüler« so sehr an ihn erinnert, dass ich schon fast ein unbewusstes Plagiat in Erwägung zog – was es jedoch, wie ich mich versichert habe, nicht ist.

Übrigens ist im vergangenen Jahr nach zahlreichen Ausstellungskatalogen und bibliophilen handgemachten Bändchen endlich Schwankes erster nicht selbstverlegter Gedichtband erschienen: Verse. Voll. Jetzt im Conte-Verlag Saarbrücken.

Zum Bild: Lauschig: Die zwei Dichter auf dem Mainzer Zentralfriedhof im August 2002. Rechts im Bild Herr Schwanke. Und siehst du die Gräber dort im Schnee? Das sind die Leser von Juli Zeh. (Foto: Crauss.)

 

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